Auf der Sonnenseite der Energiewende
Auszug der "Wirtschaftliche Nachrichten der Industrie- und Handelskammer Aachen" - April 2021
… An anderer Stelle etabliert sich eine neuere Form von Kraft-Werk. Wenn er für einen Moment die Augen schließt, sieht Georg Schmiedel es deutlich vor sich. „So viel wird sich gar nicht ändern: Die Industrie wird es auch weiterhin geben – aber sie arbeitet mit Wasserstoff“, sagt der 52-Jährige. Der Geschäftsführer der F&S solar concept GmbH mit Sitz in Euskirchen bewegt sich betriebsbedingt auf der Sonnenseite des Strukturwandels. Seit der Gründung im Jahr 2005 hat das Unternehmen weltweit mehr als 1.500 Solarkraftwerke geplant, installiert und erfolgreich in Betrieb genommen. Den Werdegang von „F&S solar concept“ bezeichnet Schmiedel als „Berg-und-Talfahrt“, von Höhen und Tiefen geprägt: Die anfängliche Förderung der Branche wird bald schlagartig zurückgefahren und schließlich nahezu ganz gestrichen. „Der Solarenergie-Markt in Deutschland ist aus politischen Gründen zum Erliegen gebracht worden“, resümiert Schmiedel. Doch dann die Wende: „In den vergangenen zwei, drei Jahren hat die Politik endlich erkannt, dass die Erneuerbaren unerlässlich sind und unterstützt werden müssen.“ Seitdem befindet Schmiedel sich im konstruktiven Austausch etwa mit NRW-Wirtschaftsminister Professor Dr. Andreas Pinkwart und der hiesigen Regierungspräsidentin Gisela Walsken.
Vor wenigen Wochen hat Schmiedel von der Stadt Jülich die Baugenehmigung für einen besonderen Solarpark für den Kreis Düren erhalten: Im „Brainergy Park“ als gemeinsamem Gewerbegebiet der Kommunen Jülich, Titz und Niederzier soll Ende des Jahres mit der Errichtung einer Anlage begonnen werden, die mit den größten ihrer Art in Nordrhein-Westfalen konkurriert. Ziel des ehrgeizigen Solarprojekts mit 18.192 Modulen und einer Leistung von bis zu zehn Megawatt: der klimafreundlichen Wasserstoffproduktion den Weg zu bereiten. Denn, so berichtet die Dürener Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18. Februar: Anfang 2023 soll eine neue Gesellschaft mit Beteiligung des Kreises damit beginnen, auf der Merscher Höhe „grünen Wasserstoff“ im industriellen Maßstab herzustellen. Partner sind der Münchener Riese Siemens, die in Essen ansässige RWE-Tochter Generation und das hessische Gas-Logistik-Unternehmen Messer Group. Siemens hat vom Bund bereits eine Förderzusage für den Bau der Wasserstoffproduktion erhalten, deren Energie zu 100 Prozent aus dem Solarpark der Euskirchener Experten stammen soll. In der Zeit, in der die Photovoltaik- Anlage wetterbedingt keine Energie für die Elektrolyse liefert, soll RWE als Versorger mit grünem Strom aushelfen. Der so entstehende gasförmige Wasserstoff soll zunächst vor allem als Treibstoff für entsprechende Busse und Bahnen genutzt werden, die der Kreis Düren vor Kurzem in großer Zahl bestellt hat.
Meilenstein in Monte Cristi: Solarstrom für 50.000 Haushalte
Im zweiten Schritt soll der Wasserstoff auch der heimischen Industriebetriebe als Energiequelle dienen. „Wir wollen so viele Unternehmen wie möglich zum Umstieg auf Wasserstoff bewegen“, hat Dürens Landrat Wolfgang Spelthahn in der Zeitung verlauten lassen. Für dieses Vorhaben will F&S solar concept mehr als 100 Megawatt Photovoltaik-Leistung auf verschiedenen Grundstücken entlang der Autobahn und Schienennetze im Kreis Düren entwickeln und damit den laufenden Strukturwandel beschleunigen. Ein weiteres Großprojekt entsteht derzeit an der Seite eines regionalen Energieversorgers, mit dem mehr als 100 Megawatt im gesamten Kreis Euskirchen geplant sind. „Alleine diese mehr als 200 Megawatt Solarenergie, die sich für unsere Region in der Entwicklung befinden, sind deutlich mehr als in vielen Jahren deutschlandweit gebaut wurde“, bilanziert Schmiedel.
Heute zählt sein Betrieb zu den weltweit agierenden Solarprojektierern, die mit Planung, Beschaffung und Aufbau befasst sind. Die Projekt- und Flächenakquise ebenso wie die Entwicklung und Planung nimmt das Unternehmen ausschließlich mit eigenem Personal in der Zentrale in Euskirchen und den lokalen Büros in den einzelnen Ländern vor. Am Stammsitz in Euskirchen kümmern sich 15 Techniker um die Fernüberwachung der Solarparks und die jährlichen Wartungs- und Inspektionsarbeiten. Internationales Terrain betritt F&S solar concept 2014 – und damit neun Jahre nach der Gründung. Auf die Anfänge in Italien folgen Aufträge in Großbritannien, den Niederlanden, Spanien und der Dominikanischen Republik. Die dortige Provinz Monte Cristi ist es schließlich, wo Schmiedel mit seinem Betrieb 2018 einen Meilenstein erreicht: Auf einer Fläche von mehr als zwei Millionen Quadratmetern „haben wir einem ganzen Land energietechnisch zu neuen Perspektiven verholfen und es gleichzeitig aus seiner Abhängigkeit von Kartellen befreit“, sagt der Geschäftsführer. Der erste Park produziere Strom für rund 50.000 Haushalte. Weitere Anlagen seien in der Planung.
Kopf- statt Knopfsache: Der Wandel braucht Zeit
Doch Schmiedel ist auch Realist: „Es ist naiv zu glauben, dass man den Wandel global sehr schnell hinbekommt. Es braucht viel Zeit, bis sich die Denkweise in den einzelnen Ländern verändert. Keine Nation drückt einfach auf den Knopf und wird plötzlich grün.“ Was ihm jedoch Mut mache: „Es ist mittlerweile auch wirtschaftlich sinnvoll, grüne Energie zu produzieren. Das kann letztlich zum Durchbruch verhelfen, denn es bringt nur wenig, den großen Industrienationen mit purem Idealismus zu kommen.“ Schmiedel möchte, dass Deutschland mit grünem Beispiel vorangeht und andere Nationen mitzieht. Der 52-Jährige erinnert sich an die Zeit des 1.000-Dächer- Programms und der Einführung des Erneuerbare- Energien-Gesetzes, als Deutschland zuerst belächelt wurde und später zum weltweiten Vorreiter der Energiewende. „Nur dadurch war es möglich, in die Massenproduktion von Solarmodulen im Bereich der Wechselrichter zu gehen“, sagt Schmiedel. „Selbst, wenn man die ganze Welt in den Blick nimmt: Es ist immer auch wichtig, was wir hierzulande machen – das hat enorme Strahlkraft.“
Wenn Neubaugebiete mehr Strom erzeugen als verbrauchen
Dass der Unternehmer aus Euskirchen mit seinem Geschäftspartner Jörg Frühauf 1988 bereits die Immobiliengesellschaft F&S concept GmbH gegründet hatte, kommt ihm jetzt auch mit Blick auf den Strukturwandel zugute: Derzeit entwickelt der Betrieb mehr als 24 Neubaugebiete in der weiteren Region. Darunter befindet sich auch ein klimaneutrales Pilotprojekt im Kreis Euskirchen, bei dem ein in direkter Nachbarschaft zu den 53 Baugrundstücken liegender Ein-Megawatt-Solarpark mehr Energie erzeugen soll, als die gesamte Siedlung verbraucht. Kein Wunder, dass Schmiedel gerne von „Strahlkraf t“ spricht. Wenn der Strukturwandel seine Schatten vorauswirft, sieht der Unternehmer keinen Anlass zur Sorge: „Es wird auch weiterhin großen Bedarf für Industriebetriebe geben.“ Ein gutes Beispiel dafür bildeten die zahlreichen Solarparks selbst, für die in der Region teilweise noch die Genehmigungsverfahren laufen und die ihrerseits wiederum auf Zulieferer angewiesen seien – etwa auf die Stahlbranche für die Unterkonstruktionen, auf die Elektrobetriebe für die Montage und auf viele andere mehr. „Der Industrie in unserer Region insgesamt wird der Strukturwandel jedenfalls nicht schaden“, sagt Schmiedel, genießt die Sonne und schließt für einen Moment die Augen
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